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Was bleibt, wenn Abhängigkeit stirbt?

Dieser Dialog beruht auf einer wahren Begebenheit:

 

„Du hast gut reden! Wenn ich als Mutter das Gefühl habe, dass mein Sohn sein Leben allein nicht meistert, obwohl er alt genug dazu ist, kann ich ihn doch nicht einfach alleine lassen. In dieser Situation war ich selbst schon. Als Kind wurde ich von meinen Eltern ganz oft bei meinen Großeltern untergebracht und fühlte mich immer abgeschoben. Deshalb würde ich es mir nie verzeihen, wenn mein Sohn sich allein zurückgelassen fühlt. Ich bin so verzweifelt und weiß nicht, was ich tun soll.“

 

„Dein Sohn sorgt für sich selbst, wenn du ihn lässt, ihm vertraust und an ihn glaubst. Dafür musst du aber auch dir selbst begegnen. Denn es sind deine Ängste, die dich blockieren und dein Kind festhalten. Ich erinnere mich an eine junge Frau, die ich in einer Klinik kennenlernte. Sie erzählte mir, dass sie mit ihren Eltern nach einem emotionalen und klärenden Gespräch, in dem es auch um Loslassen, Festhalten und Abhängigkeit ging, etwas Besonderes getan hat. Sie bat ihre Eltern, sich gemeinsam mit ihr in einen Gummitwist zu stellen. Die Eltern in das eine Ende, die Tochter in das andere. Dann gab sie den beiden eine Schere in die Hand und sagte, sie sollen das Gummiband nun durchschneiden. Die Enden flutschten daraufhin durch die Gegend. Die Eltern fragten irritiert, was das jetzt für einen Sinn haben solle. Daraufhin bedankte sich die Tochter bei ihnen mit den Worten ‚Danke, jetzt bin ich frei!‘, drehte sich um und ging symbolisch zwei Schritte in die andere Richtung, um sich und den Eltern klarzumachen, dass sie einander nun loslassen dürfen.“

 

„Das hört sich interessant an. Weißt du, was danach passiert ist?“

 

„Ja. Der Vater sagte daraufhin salopp: ‚Na, wenn das so einfach ist!‘, schrieb seiner Tochter aber am gleichen Abend unter Tränen eine lange eMail. Außerdem erzählte sie, dass die Mutter drei Wochen später den Mut hatte, mit feuchten Augen zu fragen: ‚Dass wir damals diesen Gummitwist durchgeschnitten haben, bedeutet aber nicht, dass wir uns weiter voneinander entfernen, oder?‘ Die Tochter umarmte daraufhin ihre Mutter und sagte: ‚Mama, wir haben das Band der Liebe nicht durchtrennt. Und das weißt du auch tief in deinem Herzen!‘ Der Mutter kamen vor Rührung und Erleichterung die Tränen. Daran siehst du, wie unsicher sich beide Seiten fühlen. Keiner ist sich der Liebe sicher, weil oft so viel Abhängigkeit darüber liegt. Liebe klammert nicht. Sie lässt frei und verbindet die Herzen miteinander, sodass beide Seiten wissen: Der andere ist da, selbst wenn viele Kilometer dazwischen liegen. Liebe überbrückt Zeit und Raum. Sogar bis ins Regenbogenland.“

 

Auszug aus „So ist das also! Die Herzenssprache verstehen“

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