Liebe Martina, danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Aufgefallen bist du mir durch deine Eulen. Jetzt sind auch noch Schnecken dazu gekommen. Um direkt mal mit der Tür ins Haus zu fallen: Wie kommt jemand mit 51 Jahren dazu, Eulen zu malen?
Es ist eher so, dass die Malerei zu mir gekommen ist. Tatsächlich ist es ein Wunder für mich, denn ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals den Wunsch hatte zu malen. „Im Alter“ das hört sich jetzt so an, als ob ich mich jetzt alt fühlen sollte. Tatsächlich habe ich im Moment das Gefühl immer jünger zu werden.
So, so, die Malerei ist zu dir gekommen? Es muss ja irgendeinen Impuls für den Start gegeben haben. Welcher war das? Und was hat die Malerei mit dir gemacht, wenn du sagst, dass du das Gefühl hast, immer jünger zu werden? Oder steht das nicht im Zusammenhang?
Viele Schritte, Kurse, Seminare, Sätze von Lehrern, Erkenntnisse, alles waren wichtige Schritte dahin. Aber eben nur Erkenntnisse, denen ich keine Taten folgen ließ. Ich hatte immer wieder Phasen von Depressionen, verbunden mit Unzufriedenheit und Ungeduld. Es war sozusagen die Suche nach der Antwort auf Fragen, wie: Was soll ich hier? Was ist mein Lebensplan? Was will ich wirklich, wirklich? Ich habe diese Fragen gehasst, weil ich nie eine Antwort fand. Irgendwann hatte ich die Nase davon von gestrichen voll, dass ich in einem Moment, an den ich mich noch sehr genau erinnern kann, beschlossen habe: Ab sofort folge ich den Impulsen der Freude. Durch „Zufall“ kam ich kurze Zeit später auf das Video „Eule malen“ von Clarissa Hagenmeyer und war begeistert. Da ich schon immer kreativ unterwegs war, hatte ich natürlich auch ein paar passende Farben in meinem Schrank. Also malte ich diese Eule, und noch eine, und noch eine, und die Begeisterung wurde immer größer, für diese lustigen Geschöpfe und was ich dadurch ausdrücken konnte. Ein völlig neues Lebensgefühl durchströmte mich: Glückseligkeit. So ist dann etwas später auch der Name „Glückseelichkeiten“ entstanden. Noch nie in meinem Leben ist mir etwas so leicht gefallen wie diese Eulen zu malen.
Und wirklich habe ich das Gefühl, ich werde dadurch wieder zum Kind. Wenn ich male, bin ich wie in einer Kinderwelt, in der ich Bilder für die Kinder in den anderen (erwachsenen) Menschen male. Deshalb werde ich jünger, auch wenn mein Spiegelbild manchmal etwas anders sagt.
Oh, das hört sich wundervoll an. Also war Freude deine Motivation.
Hast du überhaupt weiter gedacht in dem Moment? Oder gar geplant?
Viel besser! Es war mehr ein Gefühl oder ein tiefes Wissen, dass aus dieser Freude etwas Großartiges entstehen wird. Planen konnte ich gar nicht, denn es war ja alles ganz neu. Es hat sich alles natürlich ergeben. Als ich die ersten Bilder meinen Freunden zeigte, waren diese ebenfalls sehr begeistert. Ich spürte, wie der Funke der Begeisterung übersprang. Eine Idee kam zur anderen. Es gab so viele schöne Sprüche, die meines Erachtens aber total langweilig waren. Da entstand die Idee, meine Bilder mit Sprüchen zu verbinden. Dann ließ ich die ersten Karten drucken. Und wieder war die Resonanz so groß, dass ich beschloss, damit etwas völlig Eigenständiges zu machen. Also diese Bilder-/Kartengeschichte nicht mit meiner anderen Selbstständigkeit zu vermischen.
Inzwischen hast du ein Kartenset über den Schirnerverlag herausgebracht, was sich schon zigfach verkauft hat, es haben sich Tassen zu deinen Postkarten hinzugesellt und vor allem hast du dich selbst mehr und mehr entfaltet. Aber es gab sicher auch Herausforderungen auf deinem Weg? Wenn ja, welche und wie hast du sie gemeistert?
Ohja, die gab es. Ziemlich am Anfang in einer Facebookgruppe, als ich meine ersten Bilder zeigte, gab es zuerst viel positive Resonanz, von der ich überwältigt war. Bis eine Frau anfing, abfällige Kommentare abzugeben und ein paar andere direkt auf diese Schiene mit einstiegen.
Oder ich hatte eine Lehrerin, mit der ich mich freundschaftlich verbunden fühlte und der ich großes Vertrauen schenkte, weil sie um alle „Themen“ in meine Leben wusste und mir ermöglichte, viele
Erkenntnisse daraus zu ziehen. Als die ganze Sache anfing wirklich zu fließen, kamen sehr seltsame Kommentare von ihr. Letztlich wurde die Freundschaft beendet. Das alles hatte mich verunsichert
und viele alte Minderwertigkeitsgefühle kamen in mir hoch, wie: ‚Naja, du kannst halt doch nichts Besonderes und malen kannst du sowieso nicht (das sage ich heute immer noch, doch es ist mir
inzwischen wurscht), du kannst eh nichts Einzigartiges, alles nur Durchschnitt‘, blablabla…
Oscar-reifes Kopfkino. Ich merkte, ich muss meinen eigenen Weg gehen und ich kann nicht alle Menschen mitnehmen. Zu diesem Zeitpunkt bekam ich interessanterweise eine Ischiasentzündung, die sehr
schmerzhaft war. Mir kam es so vor, als wenn mir bestimmte Menschen Prügel zwischen die Beine werfen wollten. So eine Entzündung hatte ich bisher noch nie und auch seither nie wieder. Aber ich
wäre ja nicht ich, wenn ich mich mit all diesen Ausbildungen nicht selber coachen könnte. Zuerst einmal war ich aber zutiefst verletzt und nur noch ein heulendes Elend (und das bin ich wirklich
selten). Was mich aber wirklich in dieser Situation gerettet hat, war meine Familie. Und vor allem mein Sohn, der mir mit seinen 17 Jahren mit folgenden Worten den Kopf gewaschen hat: „Ich
erlaube dir nicht, dass du damit jetzt aufhörst!!!!“ Und das war derselbe 17-jährige, der am Anfang nur die Augen verdreht hat, wenn ich schon wieder Eulen gemalt habe. Aber er hat erkannt, wie
sehr mich das Malen verändert und erfüllt hat.
Du musst dir vorstellen, ich habe Tag und Nacht gemalt. Ich hatte eine Möglichkeit gefunden, mein Leben zu malen, meine Erfahrungen, meine Gefühle. Wenn er am Morgen aufstand, saß ich da und habe Eulen gemalt, wenn er ins Bett ging, habe ich Eulen gemalt und dazwischen habe ich Eulen gemalt. Er hat mich einmal gefragt, ob ich nicht mal etwas anderes malen wolle. Ich hab nur gesagt: „Nein, ich kann nichts anderes.“ Es war, als ob sich ein Kanal für mich geöffnet hätte, von dem ich überhaupt nicht wusste, dass es diesen Kanal gab. Und auch heute noch stelle ich mich den Herausforderungen. Durch das Kartenset, die Tassen und all das, was ich verschicke, musste ich mich mit völlig neuen Dingen befassen: Mit dem Verlag verhandeln (die Menschen dort sind übrigens sehr nett und wertschätzend), Verpackungen einkaufen, mich mit Portogebühren befassen, das Ganze organisieren, meine Website auf dem Laufenden halten, und und und … Ich wachse täglich mit meinen Aufgaben. Da ich ein sehr pragmatischer Mensch bin (das muss eine natürliche Fähigkeit sein), fällt mir das jedoch relativ leicht.
Es gibt viele Menschen, die auch einen solchen Kanal suchen, aber nicht finden.
Irgendetwas, was sie erfüllt. Was würdest du ihnen gerne mit auf den Weg geben?
Das ist wirklich so einfach, dass es total absurd ist: Du wirst zum Schöpfer, wenn du bedingungslos der Freude folgst. Durch diese „Arbeit“, die ja keine ist, sind mir die Zusammenhänge immer klarer geworden. Das, was du hier zu tun hast, ob man das Lebensaufgabe nennt oder wie auch immer – das kannst du bereits! Du lebst das schon längst. Aber da wir immer Ausschau halten nach dem, was mit uns nicht stimmt oder wo wir noch besser werden müssen, sehen wir nicht, was die ganze Zeit schon da ist. Es ist unsere Natur. Es ist wirklich ganz einfach, aber unser Leben ist so komplex geworden, das wir einfach nicht aus unserem Kopf-Käfig herauskommen. Deshalb gibt es nur einen Rat: Folge der Freude, so oft es dir möglich ist. Tu das, worauf du Lust hast und zwar ohne Bedingungen oder Erwartungen. Du tust es nur für dich. Ein Kind hat keine Erwartungen, es wächst ständig mit seinen Herausforderungen. Niemand sagt ihm: „Du musst dies und jenes tun, damit du krabbeln oder laufen kannst.“ Das ist ihm alles mit in die Wiege gelegt. Wenn es Zeit ist, dann krabbelt es einfach, es übt sich ständig im Spiel. Ich habe kürzlich dazu einen Blogartikel geschrieben. Klick dazu HIER.
Und was, wenn jemand gar nicht so richtig weiß, was ihm Freude bereitet?
Dann würde ich diesem Menschen raten zu „spielen“. Sich zurückzuversetzen in die Kindheit, am besten mit Fragen wie: Was hast du als Kind gerne gemacht? Warst du gerne am Wasser oder auf dem Spielplatz? Alleine oder zusammen mit anderen Kindern? Bist du gerne durch Pfützen gehüpft oder im Gras gelegen und geträumt? Hast du gerne geschrieben oder lieber gelesen oder nichts von beidem? Hast du viel geredet oder warst du eher ein stilles Kind? Bist du jemand der gerne Dinge anfasst oder jemand der eher über Dinge nachdenkt? Hast du gerne gegärtnert, gebacken oder mit der Oma Geschichten gelesen? Wir können überall Anhaltspunkte finden, wenn wir uns wirklich darauf einlassen wollen.
An meine Kindheit habe ich nicht so viele Erinnerungen, aber ich war damals relativ unbedarft (was heißt „damals“, das bin ich heute immer noch). Es ist eine Art „kindliche Unschuld“. Für die Arbeit war ich nie zu gebrauchen, ich war schon immer „langsam“ (ich sah das aber nie als Makel) und hatte die Ruhe weg. In einem inneren Bild habe ich mal ein Bild erhascht, wie ich als Kind unter einem Apfelbaum liege und bunte Äpfel sah. Mit Farben konnte ich schon immer gut umgehen. Was ich heute voll ausleben kann und an der Aquarellmalerei so liebe.
Ich kann das mal anhand unserer beiden Kinder aufzeigen. Bei ihnen kann ich das sehr gut beobachten: Wir waren viel draußen in der Natur und im Wald. Beide sind naturverbunden aufgewachsen. Meine Tochter hat grundsätzlich, wenn sie eine Puppe o. ä. bekam, erst mal das Ding ausgezogen und genau untersucht, gerne Pflaster geklebt und allen Stofftierchen Verbände angelegt. Sie hat heimlich experimentiert, was beispielsweise passiert, wenn man Schokolade auf die Heizung legt. Das Lernen fiel ihr leicht und sie las gerne und viel. Konnte sich also gut „Stoff aneignen“. Am Ende einer 2-jährigen Ausbildung im naturwissenschaftlichen Bereich musste sie ein sechswöchiges Praktikum in einem Labor machen. Dort hat sie gemerkt, dass sie auf keinen Fall in einem sterilen Labor arbeiten kann. Sie geht gerade im Rettungsdienst und der dazugehörigen medizinischen Schiene voll auf. Sie liebt das Abenteuer, nicht zu wissen, was passiert und freut sich, dass sie den Menschen auf diese Art helfen kann.
Unser Sohn hat es geliebt im Wald zu sein. Auf jedem Spaziergang hat er einen Ast hinter sich her geschleppt und war nicht davon abzubringen. Gelernt hat er nie gerne. Er ist ein Mensch, der die Dinge gerne anfasst und sehr praktisch und kreativ veranlagt ist. Auch er hat eine 2-jährige Schule besucht, Fachrichtung Bau. Das kam ihm insofern zugute, dass er seine praktischen Fähigkeiten ausbauen konnte. Aber die Liebe zum Wald und zur Natur hat gewonnen: Er beginnt jetzt eine Lehre als Forstwirt.
Was ich damit sagen möchte: Wir alle hatten eine Kindheit in der wir unsere natürlichen Anlagen finden können, wenn sie nicht vollends von unserer Umgebung unterdrückt worden sind. Ich glaube, dass wenn ein Mensch wirklich voller Freude forscht, dann findet er auch.
Oh ja – das kann ich gut nachvollziehen. Danke fürs Verdeutlichen. Gibt es ein Bild oder eine Karte, dessen Geschichte du gerne erzählen magst? Irgendetwas, was dir nachhaltig in Erinnerung geblieben ist?
Wie viel Zeit hast du? *lach* Inspiration ist schon phänomenal. Sie kommt von überall her, in Musik, wenn jemand etwas erzählt, ich etwas lese… Bei mir liegen überall Zettel mit Ideen herum. Die Karte „Deine Sichtweise macht den wesentlichen Unterschied“ entstand, weil ich einer Nachbarin lauschte, die mit einer Bekannten lautstark darüber redete, das sie Schimmel im Haus hat.
Oder die Karte mit dem Ei-Horn entstand, weil mein Mann mir erzählte, dass er einen Mann gekannt hatte, der so hieß. Ich dachte: Was für ein lustiges Wort und schon war das Bild dazu da. Ein Huhn, das sich in ein Einhorn verliebt. Was aus dieser Liebesgeschichte geworden ist, weiß man nicht genau …
Und eine meiner Lieblingskarten – Mutausbruch. Irgendwo im großen Internet begegnete mir dieses Wort. Den Begriff fand ich klasse! In gewissen Gruppen bei Facebook scheine ich dieses Wort maßgeblich geprägt zu haben. Die Menschen stellen fest, dass wenn sie ihre Angst überwinden und „es“ trotzdem tun und ausprobieren, dass dann Wunder geschehen. Und auch für mich war jede Entscheidung ein Mutausbruch, weiterzugehen, auszuprobieren, neues zu lernen.
Wofür bist du heute dankbar?
Die Gefühle, welche mich inzwischen begleiten, sind eher ein tiefes Glück und Freude. Ich bin beglückt, dass ich mich meinem Leben gegenüber geöffnet habe. Dass ich eine Möglichkeit gefunden habe mich auszudrücken und mir die Inspiration einfach so zufließt. Dadurch habe ich Vertrauen in mich selbst gefunden und erfahren, dass es mein Leben gut mit mir meint. Es „wundert“ mich immer wieder, dass genau im richtigen Moment die richtigen Menschen zu mir finden, die mich berühren und inspirieren. Und mich dadurch dazu bringen, mich noch mehr zu öffnen und auch praktisch dazuzulernen (so wie du). Dieses Vertrauen und die eigene Bereitschaft ermöglicht es mir, immer noch tiefer in mein Leben eintauchen zu können. Die wundervolle Resonanz die ich dadurch erfahre, scheint mir eine zauberhaft-logische Konsequenz der Freude zu sein. Und ich bin sehr sehr froh, dass ich so liebe Menschen als Familie um mich habe.
Danke Martina. Eine letzte Frage hätte ich noch. Was glaubst du, ist der größte Hemmschuh hinsichtlich genau dieser Öffnung und welche Möglichkeit gibt es, dem zu begegnen?
Die größte Angst ist vermutlich, dass wir nicht wissen was kommt. Wenn der Verstand zurücktreten muss, weil die Seele die Führung übernimmt – das hat so etwas von „die Kontrolle loslassen“ und dem eigenen Leben vertrauen. Wie gesagt, ich steh auf Mutausbrüche. Wenn wir beginnen so konsequent wie möglich der Freude zu folgen, gibt es schon die eine oder andere Befürchtung. Wenn wir aber diesen Schritt trotzdem tun, weil es uns einfach dahin zieht, dann ergeben sich wahre Wunder. Selbst wenn unsere Erwartung nicht erfüllt wird, was ist dann schon Schlimmes passiert? Wir haben es ausprobiert und vielleicht ist es in die Hose gegangen. Na und? Dann haben wir lediglich eine Erfahrung gemacht. Und weiter geht’s. Dafür haben wir einen freien Willen.
Mir hilft es immer sehr, mir vorzustellen, wie es ist, wenn ich meine Hülle verlasse und mein Leben betrachte – was will ich dann sehen? Dass ich mein Leben voll ausgeschöpft, alles Mögliche ausprobiert, mich lebendig gefühlt und eine Spur hinterlassen habe. Ganz sicher will ich dort nicht sehen, dass ich immer brav, angepasst, klein und gefühlstot war. Danach richte ich mich in Situationen, die mir nicht gut tun, immer wieder aus. Wenn man einmal diese Entscheidung getroffen hat, sich seinem Leben anzuvertrauen, gibt es kein Zurück mehr. Zumindest ist es bei mir so.
Der Text von Marianne Williamson trifft es so schön:
Unsere tiefste Angst ist nicht, dass wir unzulänglich sind.
Unsere tiefste Angst ist, dass wir unermesslich machtvoll sind.
Es ist unser Licht, das wir fürchten, nicht unsere Dunkelheit.
Herzlichen Dank für deine Zeit und deine Bereitschaft, mit mir dieses Interview zu führen, liebe Kerstin.
Ich danke dir, liebe Martina. Deine Antworten waren bereichernd. Du hast mir quasi aus der Seele gesprochen.
Wer sich für Martinas Wirken bzw. Karten, Tassen usw. interessiert, findet sie auf
1. Ihrer Homepage: www.glueckseelichkeiten.de
2. Ihrer Fanseite: www.facebook.com/glueckseelichkeiten
Alles Liebe für dich und weiterhin so viel Freude.
Herzensgrüße
Kerstin
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