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Eine Frau "geht" ihren Weg!

Silke, wenn man ein Foto von dir sieht, dann passt da für viele Menschen etwas nicht zusammen. Keine Beine, aber ein strahlendes Lächeln. Magst du den Lesern erstmal sagen, was damals passiert ist?

 

Sehr gerne liebe Kerstin. Im Alter von acht Jahren rutschte ich beim Überqueren von Bahnschienen aus, fiel hin und schlug mir das Knie auf. Mein Körper lag auf den Bahngleisen und ich hörte meine Schwester rufen: „Silke, pass auf, der Zug!“ Ab diesem Moment habe ich keine bewusste Erinnerung mehr. Als ich aus dem künstlichen Koma erwachte, waren beide Beine zur Erhaltung meines Lebens amputiert worden. Es war eine einschneidende Erfahrung, doch das Ereignis an sich hat für mich persönlich wenig Bedeutung.

 

Du verlierst deine Beine und sagst „Das Ereignis an sich hat wenig Bedeutung.“ Da werde ich hellhörig. Mich würde interessieren, wie du das so befreit sagen kannst? War das schon immer so? Andere hadern täglich mit ihrem Schicksal…

 

Ja, das war schon von Beginn an so. Ich habe mich stets vollständig und ganz gefühlt. Und das was ich jetzt sage, mag vielleicht für den einen oder anderen Leser etwas seltsam anmuten: In mir war ein tiefes Wissen, dass es genauso, wie es ist, auch sein soll. Es war, als wenn mein Leben erst jetzt wirklich beginnen konnte. Die folgenden Jahre bin ich im Schleudergang durch vielfältige Erfahrungen, bei denen ich mich schon manches Mal gefragt habe, wozu das nun alles gut sein soll. Heute macht es für mich Sinn. Wenn wir mit unserem Schicksal hadern (sofern es so etwas wie Schicksal überhaupt gibt) ist dies in der Regel ein Zeichen dafür, dass wir noch gegen eine bestehende Situation kämpfen. In meinem Fall wäre das ein doch wenig erfolgversprechender Kampf. Ich glaube an Wunder, ich erlebe sie tagtäglich, doch dass meine Beine wieder nachwachsen wie z. B. Haare oder Fingernägel fiel mir schwer. Dazu ist mein Geist noch zu begrenzt. Ich bin jedoch grundsätzlich überzeugt davon, dass es auch bei uns Menschen möglich wäre. Amphibien wie Frösche und Salamander leben es uns vor. Des Öfteren bin ich gefragt worden, wieso ich keine Prothesen nutze. Meistens antworte ich mit der Gegenfrage „Wieso sollte ich?“ Als Antwort darauf bekomme ich dann oft: „Dann fällst Du nicht so auf und siehst wieder wie die anderen aus.“

 

Ich schließe daraus, dass du dich selten oder gar nicht mit anderen vergleichst? Was würdest du denen sagen wollen, die das ständig tun?

 

Ich bin ein Mensch und ich vergleiche. Die Frage ist: „Mit wem oder was vergleiche ich mich und mein Leben?“ Erfährst du durch dein Vergleichen ein Gefühl der Fülle, der Dankbarkeit, des Reichtums, der Wunder oder auch Inspiration in deinem Leben – KEEP GOING! Erntest du jedoch durch den Vergleich Gefühle des Mangels, der Mutlosigkeit und Beschwernis – STOP IT RIGHT NOW! Viele Menschen wären nicht arm, würden sie das Vergleichen aufgeben oder sich andere Beispiele als Vergleich suchen.

 

Wenn du auf dein bisheriges Leben schaust, welche Erkenntnis hatte am meisten Einfluss auf dein Leben?

 

Spontan: Dass Trennung eine Illusion ist.

 

Wie hat sich diese Erkenntnis ausgewirkt?

 

Diese Erkenntnis schenkte und schenkt mir Frieden, Freiheit und das Gefühl, Einfluss nehmen zu können. Frieden in Bezug auf die vielen kleinen Trennungen, die ich während meines Lebens erfahren habe und der großen Trennung, dem Tod. Die große Trennung kann in jedem Moment in unser Leben treten. Dies wurde mir bewusster und schenkte mir den Zauber des Augenblicks und die Möglichkeit in einer Art zu leben, die wahrhaftiger, authentischer und wesentlicher ist.

 

Die Freiheit Menschen, die ich liebe, ihren Weg gehen zu lassen, auch wenn das bedeutet, dass sich unsere Wege scheiden. Einfluss nehmen zu können auf globale Ereignisse. Oft erwarten wir Frieden auf der Welt, doch sind kaum in der Lage unseren eigenen inneren Krieg in Frieden zu verwandeln oder selbst mit Menschen, von denen wir sagen, dass wir sie lieben, in Frieden zu leben, geschweige denn mit manch einem unserer Nachbarn. Und vielleicht klingt das jetzt abgedroschen, doch für mich entsteht Frieden zu allererst in mir und um mich herum. Bin ich in Frieden, ändern sich meine Gedanken, Gefühle, Worte und meine Handlungen. Wenn ich in Frieden bin, handle ich in Frieden. Friedvoll zu sein bedeutet nicht, alles hinzunehmen. Das wird oft missverstanden. Aus meiner Sicht ist die Annahme der Trennung der ursprünglichste Auslöser für tiefsten Schmerz, Gewalt, Krieg, Hass.

 

Gibt es bei dir auch Minuten, Stunden oder Tage, wo es dir nicht so gut geht?

Wenn ja – was tust du dann?

 

Ich beschreibe diese Zeiten anders, als mit den Worten „Mir geht es nicht gut“. Ich drücke aus, was ich spüre und beurteile diese Emotionen weder als gut oder schlecht. In dem Moment, in dem sie sich zeigen haben sie einen Grund da zu sein. Das bedeutet nicht, dass ich mit meiner Beurteilung einer Situation oder eines Menschen Recht habe. Das zu glauben, wäre aus meiner Sicht vermessen. Was ich dann tue? Zuerst einmal meine Emotionen annehmen und spüren. Ich lasse sie da sein und fühle. Wenn sie sehr stark oder über einen längeren Zeitraum bleiben, gehe ich mit ihnen in einen inneren Dialog. Oft reicht jedoch das vollständige Fühlen dessen, was ist und sie wandeln sich wieder. Emotionen kommen und gehen. Ich kann sie durch meine Gedanken festhalten und verstärken oder ich lasse sie ziehen, indem ich sie fühle und meine Gedanken raushalte. Auch habe ich mir angewöhnt die Dinge beim Namen zu nennen. Wenn ich spüre, dass eine Situation oder ein Verhalten in mir z. B. Wut auslöst, dann sage ich das meinem Gegenüber mit einfachen klaren Worten. Ich spüre meine Emotionen, doch ich bin sie nicht. Ich liebe die Vielfalt an Emotionen und bin grundsätzlich dankbar, dass ich all das spüren kann. Oft denke ich, wenn jeder Mensch sich die Erlaubnis geben würde, seine Emotionen vollständig zu fühlen (nicht aus ihnen heraus sofort zu handeln!), wären weit weniger Therapeuten notwendig. Meine Gefühle und mich achte ich so sehr, dass ich sie nicht der Laune anderer aussetze und ich achte meine Mitmenschen so sehr, dass ich nicht von ihnen erwarte, dass sie meine emotionalen Bedürfnisse erfüllen. Ich kann sie einladen, mehr jedoch nicht. Dadurch schenke ich ihnen die Freiheit sie selbst zu sein. Das war meine größte Lektion in Sachen Befriedigung emotionaler Bedürfnisse.

 

Danke für die inhaltsreiche Antwort, die ich exakt so unterschreiben kann. Hatte ich schon erwähnt, dass ich begeistert bin von dir und deinen Antworten? Zum Abschluss dieses Interviews möchte ich mich bei dir für deine Zeit bedanken und dass du deine Erfahrungen mit uns geteilt hast. Magst du den Lesern am Ende noch etwas Persönliches sagen, was dir wichtig ist?

 

Genieße Deine Lebenszeit.
Lache herzhaft.
Sei eins mit Dir.
Erlaube es Dir einfach glücklich zu sein.
Das ist das größte Geschenk,
das Du der Welt machen kannst.

 

Liebe Kerstin, es war mir eine Ehre. Ich danke Dir sehr für unsere reiche, humorvolle und intensive Begegnung.

 

Silke ist eine Frau, die ich sehr gerne mal persönlich kennenlernen würde. Bis dahin bleibt nur das Netz, aber selbst das ist in solchen Fällen wertvoll. Silke findet ihr hier:

 

Homepage: www.silkenaunbates.com

 

Ich wünsche euch von Herzen, dass ihr schätzt, was ihr habt. Mir persönlich hat Silke durch dieses Interview ein großes Geschenk gemacht. Ein größeres als ihr wahrscheinlich bewusst ist. Danke – fürs Wachrütteln.


Herzensgrüße
Kerstin

 

Dieses Interview ist auch in meinem Buch "So ist das also! Die Herzenssprache verstehen" abgedruckt.

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